Schiffe








Aufzeichnungen anno 1846 im Tagebuch von Heinrich Justus Francke (geb. 27.10.1826, gest.1878) über eine Schiffsreise von Bremen nach New Orleans.

 

Der Abschied
"Der Abschied" (Antonia Volkmar, 1860)



Unsere Reise bietet jetzt wenig Veränderung, es verfließt ein Tag wie der andere. Der Wind ist ungünstiger geworden, er weht aus NO und wir dürfen also vermuten, daß bei Euch der Winter mit Schnee und Eis eingekehrt ist. Hingegen bei uns wirds alle Tage wärmer, und ich habe schon einen bedeutenden Teil meiner anfänglichen Kleidung ausgelassen und bald wird dieselbe wohl nur aus Hemdleinen, Hose und Jacke und Strohhut bestehen. Gegen Weihnachten und Neujahr werde ich mich wahrscheinlich alle Tage in Seewasser in einer Tonne baden. Wir segeln jetzt gerade vor dem Winde her, die Bewegung des Schiffes ist dadurch keineswegs angenehmer geworden.

Anstatt wie früher, als der Wind von der Seite kam, bald Vorderteil bald das Hinterteil des Schiffes ins Wasser tauchte, schlenkert jetzt das Schiff fortwährend von der rechten zu der linken und wieder zurück und zwar so stark, daß bei Tisch gewöhnlich alles durcheinander rollt und der Steward alle Mittage für ein reines Tischtuch zu sorgen hat.

Noch schlimmer gehts des Nachts, man kann nicht schlafen, ununterbrochen wird man von der einen nach der anderen Seite gerollt und hat man sich wohl zu hüten, daß man nicht zu weit rollt aus der Koje heraus, man könnte da leicht den Hals brechen. Wie ist nun aber diesem Übelstande abzuhelfen?

Der Steuermann riet mir: ich sollte mich quer in der Koje setzen, mit dem Rücken gegen die Wand gelehnt und die Füße gegen das Brett, das die Koje einfaßt stemmen, dann säße man fest. Ich glaube gern, daß dieses Mittel praktisch ist, wer kann aber in einer solchen eingezwängten Stellung schlafen? Besser scheint es mir noch zu gehen: man legt sich in die Mitte der Koje, bindet zwei Stricke um den Leib, wobei man den einen rechts, den anderen links straff befestigt, man wird dann seine Lage nicht leicht verändern können. Probieren!


Zum Amusement seiner Passagiere veranstaltete der Kapitän gestern nachmittag ein großes Hahngefecht. Der Liebling der ganzen Schiffsmannschaft, ein Hahn, wegen seiner Tapferkeit vom Schlachtermesser verschont geblieben, schon seit mehreren Reisen an Bord, also schon ein gutes Stückchen der Welt kennen, grau von Gefieder, rechtfertigte auch diesmal die gute Meinung, die man von seinem Mut und seiner Ausdauer hegte, indem er als Sieger aus dem Kampfe mit drei anderen Hähnen, alle größer als er, hervorging. Der letzte Gegner machte ihm am meisten zu schaffen, gerade dieser besaß am meisten Kraft und Ausdauer. Unser Held, obgleich schon von den früheren Kämpfen ermattet, focht nichts desto weniger mit verzweifelter Tapferkeit. Blut floß auf beiden Seiten und der fast halbstündige Kampf ermattete die Tiere aufs Äußerste, dennoch wollte keiner nachgeben. Zuletzt schien jedoch dem Feinde der Mut zu sinken, er wollte sich unbemerkt ohne daß es den Anschein einer Flucht hätte, vom Schlachtfeld zurückziehen. Sobald der Graue dieses jedoch bemerkt hatte, raffte er alle seine Kräfte zusammen, warf sich so stolz wie möglich in die Brust, schlug mit den Flügeln und krähte verschiedene Male aus Leibeskräften. Da der Angriff von Seiten des sich zurückziehenden bei dieser Herausforderung nicht sogleich erneuert wurde, erklärte der Kapitän den Sieg zu Gunsten des Grauen für entschieden.

Abends war großer Ball. Die Matrosen waren heute sonntäglich gekleidet, in ihren farbigen Hemden und schneeweißen Hosen sahen sie recht großartig aus. Ihr Benehmen gegen die Auswanderer ist ganz freundlich. Überhaupt haben Letztere durchaus keine Ursache sich über irgend etwas zu beklagen. Sie werden gut beköstigt und sehr anständig behandelt. Unser Orchester besteht aus 1 Violine, von einem Schustergesellen gespielt. Präzise 8 Uhr abends müssen die Lustbarkeiten beendet sein. 5 Minuten nach 8 ist das Deck ganz leer, die Auswanderer, Katholiken, meist aus der Gegend von Osnabrück und Meppen, hört man dann laut im Zwischendeck beten. Einer betet vor und die ganze Menge spricht nach. Die Anzahl lebendiger Wesen an Bord des Kolumbus wurde in der Nacht durch die glückliche Niederkunft einer Hündin um 6 vermehrt. Mutter und Kinder befinden sich den Umständen nach wohl.



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