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Aufzeichnungen anno 1846 im Tagebuch von Heinrich Justus Francke (geb. 27.10.1826, gest.1878) über eine Schiffsreise von Bremen nach New Orleans.

"Der Abschied" (Antonia Volkmar, 1860)
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Da haben wir's ja. Der Kapitän hatte gestern beim Whistspiel bedeutendes Glück und wir dafür heute den ganzen Tag Windstille. Wir kommen nicht vom Fleck, der Ozean hat sich ganz abgeglättet, kleine Wogen, die nicht hoch genug um sich zu brechen, schaukeln das Schiff gemächlich. Wir haben heute Sommerwetter, 17 Grad Rémaum im Schatten. Ich bin schon sehr leicht bekleidet, leinene Jacke, Hose und Strohhut sind bereits im Dienst. Das warme Wetter hat sämtliche Passagiere aufs Deck gelockt, die Auswanderer, alt und jung, Männer, Frauen und Kinder, beschäftigen sich mit Strümpfestricken. Die Matrosen flicken Segel, malen die Maste und Rahe etc. Das bunte, rege Treiben läßt sich für einmal schon ganz hübsch ansehen. Übrigens noch 4 Wochen die Langeweile fernzuhalten, wird ein Kunststück sein, daß auszuführen weder dem guten Kapitän noch uns gelingen wird. Sonderbar! Was es schon mit der Zeit differiert! Eine in Bremerhaven zuletzt gestellte Uhr geht gegen die Schiffsuhr, die täglich nach der Sonne reguliert wird, um 2 1/2 Stunden zu früh. Wenn wir alle früh des Morgens um 6 1/2 Uhr aufstehen, so geschieht das nach Eurer Uhr erst um 9 Uhr, dagegen suchen wir aber auch erst um 10 Uhr nach unserer und um 12 1/2 Uhr nach Eurer Uhr unsere Kojen am Abend auf.

Auf Sonnenschein folgt Regen. Gestern das schönste Wetter von der Welt, heute den ganzen Tag Regen. Gestern regte sich kein Lüftchen, heute müssen wegen zuviel Wind alle Segel gerafft werden. Und es begab sich dann, daß heute ein Mägdlein im Zwischendeck geboren war.

Wir haben jetzt den schönsten Ostpassatwind? Unsere Reise geht fortwährend rasch und glücklich vonstatten. Das Wetter ist herrlich, kompletter Sommer, 19-20 Grad R. in der Hütte. Tägliche, mitunter sehr starke Regenschauer erfrischen die Luft, da aber der Regen länger als 1/2 Stunde anhält und die Sonne dann gleich wieder durch die Wolken bricht, so erblicken wir täglich so schöne Regenbogen wie ich sie früher nie gesehen. Unsere Reise bietet sonst wenig Interessantes. Wir bewegen uns mit enormer Schnelligkeit Tag und Nacht vorwärts. Unsere Umgebung bleibt immer dieselbe. Nichts als Wasser und Luft.
Selten, daß wir ein Schiff in weiter Ferne erblicken. Der Ozean scheint auch wenig belebt. Kleine Scharen fliegender Fische von der Größe eines Herings, von Delphinen verfolgt, erheben sich mitunter in ziemlich weiten Sprüngen über dem Wasser und sind die einzigen Bewohner des Meeres, die sich blicken lassen.
Wir haben ungefähr den halben Weg zurückgelegt, die ganze Entfernung von Bremen nach New Orleans beträgt ca. 1400 deutsche Meilen, ich werde dort in weiter Entfernung von Euch leben. Morgen haben wir Weihnachtsabend, könnte ich dann doch bei Euch sein!
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