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Aufzeichnungen anno 1846 im Tagebuch von Heinrich Justus Francke (geb. 27.10.1826, gest.1878) über eine Schiffsreise von Bremen nach New Orleans.

 

Der Abschied
"Der Abschied" (Antonia Volkmar, 1860)

25.Dezember
Weihnachten! 22 Grad Hitze im Schatten, wünsche von ganzem Herzen frohe Festtage. Der Kapitän versprach gestern zur Feier des heutigen Tages das Schiff festlich mit Flaggen ausschmücken zu lassen.

Ein trauriges Ereignis verhinderte dieses. Der Schiffszimmermann macht einen Sarg. Unser Weihnachtspräsent ist eine Leiche. Ein 3ojähriger Mann, Zwischendeckpassagier, ist in der vorigen Nacht ganz unvermutet gestorben. Der Mann war gestern noch auf Deck und erklärte sein Unwohlsein, welches von seinen Verwandten für Seekrankheit gehalten wurde; für gelindert. Gestern abend, wieder ins Zwischendeck hinabgestiegen, verirrte er sich jedoch in eine verkehrte Koje und wurde darin heute morgen tot aufgefunden. Seine Verwandten, Vater und Schwester, haben über seine Krankheit nichts gegenüber dem Kapitän verlauten lassen, so daß dieser erst heute morgen, als der Mann schon tot, erfuhr, daß er krank gewesen. Man vermutet, er sei am Brustübel gestorben.

Der Weihnachtsabend wurde gestern von den Matrosen auf folgende Weise verherrlicht: Ein Matrose, auf einem milchweissem Pferde, künstlich aus 2 mit Segeltuch behangenen Bauern zusammengesetzt, reitend, stellte das Christkindchen vor. Der Bootsmann führte das ungeduldige Pferd, ungeduldig, vermutlich weil die 2 Hunde sich alle erdenkliche Mähe gaben, ihn in die Beine zu beißen, am Kopfe, der sehr hübsch gemacht, haltend. Hinter dem Pferde ging, wahrscheinlich Sünder Klaus, eine riesige Gestalt von 8 - 10 Fuß Länge - 2 Matrosen, wovon der eine auf den Schultern des anderen saß oder stand, schaurig mit dem Kopfe nickend. Die Prozession bewegte sich einige Male unter furchtbarem Geschrei der Auswanderer ums Schiff und das Christkindchen und Klaus wurden darauf von einem wohlhabenden Bauern , dem der Spaß besonders gut gefallen, mit 5 Dollar beschenkt.

Ich hätte lieber von Eurem mir gegönnten frischen Festtagskuchen!

26.Dezember
Der gestern gestorbene Mann wurde heute früh um 4 Uhr in aller Stille, nur in Gegenwart des Kapitäns und der Matrosen, in einem mit Ballast beschwerten Sarge ins Meer gelassen. Der Kapitän wählte diese frühe Zeit, da er meinte, es mache das Versenken einer Leiche einen schlechten Eindruck auf die Passagiere.-

Es ist heute wärmer wie je, ohne daß man es erdrückend heiß nennen kann. Die See, der häufige Regen, die frische Brise erfrischen die Luft. Wir sind in einem wunderschönen äußerst gesunden Klima. Unter einem über das Hinterdeck, des Schiffes gespannten Sonnenzeltes finden wir Schutz gegen die Sonne. Haben wir Durst, so steht uns ein nicht zu erschöpfender Vorrat von schönem Bier und Selterwasser zu Gebote. Die mitgenommenen Inkredenzien zur Limonade benutze ich fast gar nicht. Überhaupt kommen mir von den mitgenommenen Sachen nur die Äpfel, die sich ausgezeichnet gehalten haben, sehr gut zu passe. Alles andere ist überflüssig, da davon reichlich an Bord.

Heute Mittag gab es Hasenbraten und Schellfisch, so schön, wie man sie nur irgendwo haben kann. Nächstens Gänsebraten und braunen Kohl.

Ein großer Finnwal begleitete heute morgen das Schiff einige Stunden. Er raste alle Augenblicke mit dem Rücken aus dem Wasser und schoß dann wieder äußerst schnell tief unter die Wasseroberfläche, wie ein schöner grüner Streifen aussehend, neben dem Schiffe her. Die fliegenden Fische sind hier sehr häufig. Sie fliegen wirklich (nicht springen) und zwar solange ihre Flossen naß bleiben. Ich habe mich schon einige Male gebadet. Das Wasser ist so klar wie Kristall, aber viel zu warm. So warm wie die Luft, also 21, 22 Grad, daher nicht erfrischend.



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